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3. Platz - Sabine Klewe
Marilyn
Er sitzt schon wieder seit Stunden vor dem Ding. Er tut nichts anderes mehr. Außer fressen vielleicht noch. Fressen und chatten.
Der Computer flimmert, und er haut mit seinen fleischigen Zeigefingern in die Tasten, als hinge sein Leben davon ab. Klick. Klick.
Als hinge sein Leben davon ab, das ist das Stichwort. Heute Morgen habe ich beschlossen, dass Schluss ist. Ich kann es nicht mehr
ertragen. Der Fleischberg, so nenne ich ihn in Gedanken, muss weg. Wenn ich ihn da so sitzen sehe, auf dem viel zu kleinen Drehstuhl,
und das Fett wabbelt rechts und links von der Sitzfläche hinunter, wird mir übel. Außerdem habe ich im Möbelhaus so eine kleine
Glasvitrine gesehen. Die hat mir gefallen. Sie würde genau in die Wohnzimmerecke passen, dorthin, wo jetzt sein Computertisch steht.
Ich habe hin- und herüberlegt, wie ich es anstellen soll. Ich habe erwogen, den Stuhl ein wenig zu manipulieren, vielleicht ein
Schräubchen zu lockern. Es fehlt schon so nicht viel, und er bricht unter der Last zusammen. Ich habe mir auch gedacht, ich könnte
ihm einfach nichts mehr zu essen bringen, ihn aushungern, aber das würde viel zu lange dauern. Und womöglich hat er noch nicht ganz
vergessen, wo die Küche ist.
Es gibt doch bestimmt Bücher, in denen man nachschlagen kann, wie so was geht. Wie begehe ich den perfekten Mord? Es gibt schließlich
für alles Ratgeber. Ich sitze in meinem Arbeitszimmer und surfe ein bisschen im Internet. Haue ein paar Suchbegriffe in die Tasten.
Ehemann. Loswerden. Mal sehen, was sich tut. Ich finde etwas, das interessant klingt: Aber schließlich kann man seinen Ehemann nicht
so einfach loswerden wie ein angeschimmeltes Butterbrot, lese ich da. Neugierig klicke ich mich weiter. Das Zitat stammt von Eliza28.
Sie hat sich eine halbe Seite lang über ihre Eheprobleme ausgejammert. Lonelyheart hat geantwortet. Sie solle endlich einen
Schlussstrich ziehen.
Ich lächle zufrieden. Ich habe das Gefühl, hier richtig zu sein. Vielleicht haben Eliza28 und Lonelyheart ja einen Tipp für mich.
Ich logge mich ein. Nach kurzem Zögern entscheide ich mich für den Namen PandoraXY. Ich finde das sehr originell. Ich schlage
Eliza28 vor, sich eine Liste zu machen, in zwei Hälften geteilt, links die Sachen, die sie an ihrer Ehe gut findet, und rechts die,
die sie stören. Dann solle sie eine Entscheidung treffen. Ganz nüchtern abwägen.
Eine Maja schaltet sich ein. So ein Schwachsinn, eine Beziehung sei doch keine Unternehmensbilanz. Es gebe da doch Dinge, die man
gar nicht in Worten festhalten könne. Doch Lonelyheart meint, es sei einen Versuch wert. Eliza28 scheint unentschlossen. Was sie
denn da aufschreiben solle, fragt sie. Ich zähle ein paar Dinge auf, die mir einfallen. Alles negative natürlich. Ich muss nicht
lange überlegen. Ich denke an den Fleischberg und meine Finger fliegen über die Tasten: redet nicht mehr mit mir, denkt nur noch
ans Essen und Schlafen, macht keinen Finger im Haushalt krumm. Ich hänge noch was Positives dran. Der Ausgewogenheit wegen. Ich
muss allerdings ein bisschen nachdenken, bevor mir was einfällt. Man hat einen Mann im Haus, falls man mal von einem Einbrecher
überrascht wird, schreibe ich schließlich. Klingt ein bisschen lahm, aber mir fällt nichts Besseres ein.
Maja findet meine Liste bescheuert, aber Eliza28 sagt, sie habe schon angefangen mit dem Aufschreiben. Eine Marilyn meldet sich.
Sie finde es sehr vernünftig, eine solche Liste anzufertigen. Manchmal sei man sehr überrascht von dem Ergebnis.
[...]
Wie diese Geschichte weitergeht, können Sie natürlich ebenfalls in "Tatort Internet" nachlesen.
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